Foto: Caritas/Esser
Erleichterung herrscht bei der Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB) des Diözesan-Caritasverbandes Eichstätt darüber vor, dass vor kurzem im Deutschen Bundestag das Chancen-Aufenthaltsgesetz beschlossen wurde. Das 18-monatige Chancen-Aufenthaltsrecht sollen Menschen erhalten, die am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Ihnen soll damit ermöglicht werden, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Identitätsnachweis.
Menschlich und sachlich geboten
"Wir hoffen, dass das Gesetz zum 1. Januar in Kraft tritt und dann die vielen Kettenduldungen voller Ungewissheit für die Betroffenen ein Ende haben", sagt Angela Müller, Beraterin bei der Caritas-Kreisstelle Eichstätt und Sprecherin für FIB beim Caritasverband anlässlich des Internationalen Tages der Migrantinnen und Migranten am 18. Dezember. Müller freut sich, dass nun auch viele Klientinnen und Klienten der Caritas mehr Sicherheit bekommen sollen. Das empfindet auch der Eichstätter Caritasdirektor Alfred Frank so: "Geflüchtete Menschen, die keine Straftaten begangen haben und sich bei uns gut integriert haben, müssen eine Chance erhalten, auch bei uns zu bleiben: zum einen aus menschlichen Gründen, zum anderen, weil wir sie wegen unseres Arbeitskräftemangels brauchen."
Angela Müller ist verhalten optimistisch, dass das auch klappt: "Sorge macht uns noch die Erfahrung mit restriktiver Auslegung in Bayern", erklärt die Caritasberaterin. Verschiedene Stellen hatten zuletzt vor der Gesetzesverabschiedung über vermehrte Abschiebungen von geflüchteten Menschen in Bayern berichtet - auch von solchen, die hier eine Arbeit haben. "Wir hoffen, dass die vorhandenen Ermessensspielräume bei der Umsetzung des Gesetzes nicht negativ für die Antragsteller genutzt werden", so Müller.
Hunderte im Bistum Eichstätt könnten profitieren
Wie viele Geflüchtete, die bei der Caritas in Beratung sind, genau von der neuen Regelung profitieren, kann schwer vorhergesagt werden. Angela Müller geht aber davon aus, "dass es im Landkreis um die 100 sind und im Bistum Eichstätt eine dreistellige Zahl im mittleren Bereich ist". Einer Kollegin, die geflüchtete Menschen in Gaimersheim berät, fielen für ihren Bereich gleich 17 Fälle ein. "Wir werden jetzt auch täglich von den Ratsuchenden bei uns gefragt, ab wann das Gesetz gilt und ob sie die Voraussetzungen erfüllen", berichtet Müller.
Sie ist auch zuversichtlich, dass ein Großteil es schaffen werde, in den 18 Monaten ein Bleiberecht zu erwirken. Ein Problem dafür sei weniger, dass die Menschen in Arbeit kommen, "denn etliche haben eine oder die Chance, eine zu bekommen". Schwierigkeiten könne es vielen durchaus machen, neben ihrer Vollzeitarbeit oder mehreren Jobs noch die Kraft und Zeit zu haben, die erforderlichen Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 zu erwerben. "Andererseits können die Geflüchteten durch 18 Monate Sicherheit Ruhe zum Lernen und eine echte Perspektive finden, was sich motivierend auswirken dürfte", glaubt Müller. Als Problem für das angestrebte Bleiberecht könne sich vor allem herausstellen, "dass die Betroffenen von den Botschaften ihrer Heimatländer nicht die geforderten Dokumente zum Identitätsnachweis für die Ausländerbehörde erhalten."
Beispielhafte Familie aus Sierra Leone
Eine beispielhafte Familie, für die das neue Gesetz gilt, sind für die Caritas-Sprecherin Maddie Serray Kamara (32) und Tidankay Waltraud Sheriff (26) mit Ihrem fünfjährigen Sohn Maddiehardy Sherriff aus Sierra Leone. Die Mutter lebt seit 2014 in Deutschland, der Vater seit 2015. Da sie am Anfang schon etwas Deutsch sprach und größere Integrationschancen hatte, entschieden die beiden, zunächst auf den beruflichen Werdegang von ihr zu setzen, während er zwei Arbeiten im Reinigungsbereich im Eichstätter Krankenhaus und bei der Bereitschaftspolizei annahm und sich vor allem um das Kind kümmert. Tidankay Waltraud Sheriff absolvierte erst eine einjährige Qualifikation zur Pflegehelferin und dann die dreijährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Heute arbeitet sie in ihrem erlernten Beruf in der Notaufnahme des Krankenhauses in Eichstätt.
"Ich helfe gerne anderen Menschen, und wenn ich nach der Schicht nach Hause komme, habe ich das gute Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben", beschreibt die Frau ihre Motivation. Mit den Kolleginnen und Kollegen in der Klinik kommt sie gut zurecht. Und sie fühlt ihre Arbeit wertgeschätzt. Seit 2019 steht die Familie finanziell auf eigenen Beinen und bezieht keine Sozialleistungen. Da beide nach wie vor geduldet sind, bekommt sie allerdings auch kein Kindergeld.
Ungewissheit psychisch belastend
Während die Mutter einen Aufenthaltstitel in Aussicht hat, muss ihr Mann alle drei Monate bei der Ausländerbehörde seine Duldung und seine Arbeitserlaubnis erneuern. "Jedes Mal haben wir Angst, dass er nicht mehr arbeiten darf oder sogar zurück nach Sierra Leone muss. Das ist psychisch sehr belastend", erklärt Tidankay Waltraud Sheriff. Ihr Partner hofft, in Kürze durch das Gesetz zunächst 18 Monate Sicherheit zu bekommen, um sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen zu können. Maddie Serray Kamara will dann neben seinen Arbeiten und der Kindererziehung einen Online-Deutschkurs absolvieren. Sein Ziel ist es, später einmal eine Ausbildung zum Koch oder zum Busfahrer zu machen.
Auch um mehr Planungssicherheit zu bekommen, würde das Paar, das sich in Deutschland kennengelernt hat, gerne heiraten. "Dies ist allerdings nicht möglich, weil es dafür die erforderlichen Dokumente aus Sierra Leone nicht bekommt", informiert Angela Müller. Sie hofft daher gerade für Maddie Serray Kamara und Tidankay Waltraud Sheriff, "die hier sehr fleißig sind und zudem ein fortschrittliches Familienmodell leben", auf neue Perspektiven durch das Chancen-Aufenthaltsgesetz. Sie erhofft sich das aber auch für Hunderte andere Betroffene, die von der Caritas im Bistum Eichstätt beraten werden.