"Wenn es Sie nicht gäbe, würde ich schon lange nicht mehr leben." Diesen Satz hören die Mitar-beitenden des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas-Kreisstelle Eichstätt immer wieder einmal - und motiviert sie umso mehr, sich für Menschen mit psychischen Problemen und Er-krankungen einzusetzen. Am 15. November tun sie dies seit genau 25 Jahren. Sowohl die Anzahl der Klienten als auch die der Beschäftigten hat sich in dieser Zeit vervielfacht. Für den Leiter des Dienstes, Frank Mronga, zeigt dies zweierlei: "Einerseits haben die Nöte zugenommen, anderer-seits sind unsere Hilfen bekannter geworden - und immer mehr geschätzt worden."
Start mit zwei Fachkräften
Der Psychologe Frank Mronga und die Sozialpädagogin Barbara Rozbicki waren die ersten bei-den Fachkräfte, die den Dienst Ende 1995 starteten. Zu dieser Zeit lief ein von Rozbicki geleite-tes dreijähriges Modellprojekt "Soziale Hilfen für ältere Menschen" aus, unter denen sich auch solche mit psychischen Erkrankungen befanden. Zudem war gerade eine Studie im Auftrag des Bezirks Oberbayern beendet worden, die zeigte, "dass alle anderen Landkreise schon einen So-zialpsychiatrischen Dienst hatten und nur Eichstätt noch ein weißer Fleck war", erinnert sich Frank Mronga. Für Betroffene im Landkreis standen seinerzeit lediglich drei Nervenärzte und das Klinikum Ingolstadt zur Verfügung. Die Studie hatte ergeben, dass gerade auch der soziale Be-reich für psychisch kranke Menschen eine große Rolle spielt. Für den früheren Leiter der Cari-tas-Kreisstelle, Gerhard Bauer, waren das Gründe genug, eine Psychosoziale Arbeitsgemein-schaft ins Leben zu rufen, die wiederum den Startschuss für den Sozialpsychiatrischen Dienst an der Kreisstelle Eichstätt gab.
Los ging es für Mronga und Rozbicki mit rund 100 Klienten. Seitdem hat sich die Anzahl bis heute mehr als verfünffacht. Das ursprüngliche Zweierteam weitete sich mit der Zeit entsprechend er-heblich aus: Am 15. November dieses Jahres werden es nach eigenen Angaben neun Fachkräf-te auf rund sechs Vollzeitstellen sein, von denen sechs für den Sozialpsychiatrischen Dienst und drei im angegliederten Gerontopsychiatrischen Dienst beschäftigt sind - hinzu kommt eine Ver-waltungsmitarbeiterin. Gut ein Drittel der Klienten wird vom Gerontopsychiatrischen Dienst be-treut, in den Barbara Rozbicki von Anfang an ihre Erfahrungen aus dem früheren Modellprojekt für ältere Personen eingebracht hat.
Gerade für alte Menschen, aber auch für andere sind Hausbesuche ganz wichtig: zum einen, weil rund 70 Prozent aller Beratenen in ländlichen Gegenden lebt und oft nur schwer nach Eichstätt kommen kann, zum anderen, weil das direkte Gespräch von unschätzbarer Bedeutung ist: "In der Zeit des Lockdowns in der Corona-Krise, in der wir auf Telefonberatung umgestellt hatten, hörten wir immer wieder: Klar ist Íhre Stimme gut, aber wann kommen Sie denn mal wie-der?", erzählt Frank Mronga.
Vor allem Depressionen
Früher wie heute haben nach der Statistik der Stelle bei den Erkrankungen Depressionen die Hauptrolle gespielt, wobei diese in den letzten Jahren nochmals stark angestiegen sind. "Sie tre-ten immer wieder als Folge von kritischen Lebenssituationen in Familie und Partnerschaft, bei Krankheit oder zunehmend auch als Leistungsdruck in Arbeit und Studium auf: Jeder Burnout kann in eine Depression abrutschen", erfährt der Psychologe. Ansonsten kommen auch viele Menschen mit Belastungs- und Verhaltensstörungen, zum Beispiel nach Traumatisierungen, so-wie solche, die unter Schizophrenie leiden: also einer Denkstörung, die sich vor allem in einer irrealen Wahrnehmung und Interpretation der Welt äußert. Insgesamt bilden Menschen, die unter schweren, meist chronischen psychischen Erkrankungen leiden, einen Schwerpunkt.
Das Durchschnittsalter der Klientinnen und Klienten beläuft sich auf etwa 50 Jahre. Jedoch sind es vor allem ältere Menschen, die in den Gerontopsychiatrischen Dienst kommen, sowie in letz-ter Zeit zunehmend jüngere Leute zwischen 18 und 30. "Hier gibt es leider immer mehr Perso-nen, die massive Existenz- und Zukunftsängste zeigen und auch suizidale Gedanken entwi-ckeln", beobachtet Mronga. So bleibt die Kernaufgabe des Dienstes nach wie vor die individuelle Beratung und Begleitung Betroffener: Hierfür haben sich manche Mitarbeitenden inzwischen auf besondere Personengruppen spezialisiert: zum Beispiel auf alleinerziehende Frauen oder Men-schen mit Wahnvorstellungen.
Gerade weil das soziale Umfeld eine so wichtige Rolle für psychisch erkrankte Menschen spielt, ist der Dienst darüber hinaus aber auch zu einem "Motor" für die Versorgungsstruktur geworden. Auf seine Initiative hin entwickelte sich bereits 1999 aus einem offenen Treff für zehn bis 15 Leu-te die Tagesstätte Lichtblick in Eichstätt, die psychisch Kranken seitdem eine sinnvolle Tages-strukturierung und Beschäftigung bietet. Für Menschen, die noch selbständig sind, aber einer Assistenz durch Hausbesuche bedürfen, wurde das "Betreute Einzelwohnen" ins Leben gerufen. Und um chronisch psychisch kranken Menschen, die nicht oder noch nicht auf dem ersten Ar-beitsmarkt tätig sein können, eine Arbeitschance zu geben, wurde 2007 das Zuverdienstprojekt bei den Caritas-Servicediensten aufgebaut.
2017 stieg der Sozialpsychiatrische Dienst schließlich als Netzwerkpartner in den neu gegründe-ten oberbayernweiten Krisendienst ein: Zwei Fachkräfte stehen nun wochentäglich stets von 8.00 bis 16.00 Uhr bereit, um möglichst schnell auf seelische Krisen und psychiatrische Notfälle rea-gieren zu können. "Dieser Dienst ist sehr sinnvoll und nötig, aber natürlich auch eine enorme Herausforderung. In der Regel gibt es hier harte Schicksale, oft mit Suizidgefahr, bei denen es in erster Linie um Deeskalation geht", informiert Frank Mronga und ergänzt: "Ein Großteil der hier Betroffenen bleibt bei uns dann im Sozialpsychiatrischen Dienst für eine längere Beratung."
An weiteren Plänen im Sozialpsychiatrischen Dienst fehlt es nicht: Barbara Rozbicki will eine spezielle Gruppe für Parkinsonklienten aufbauen, eine Mitarbeitende eine Achtsamkeitsgruppe sowie einen Kreis für junge psychisch kranke Erwachsene. Zudem wird derzeit ein Konzept für eine bedarfsgerechte Onlineberatung von einer Mitarbeiterin erstellt. Wichtig ist es Leiter Mronga außerdem, öffentlich wirksame Veranstaltungen weiterzuführen, um stärker über psychische Erkrankungen aufzuklären: etwa bei Infoständen, Dichterlesungen oder dem "Eichstätter Trialog" zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften. Auch wirbt er um Ehrenamtliche, die sich punktuell zum Beispiel durch Fahrten, Einkäufe oder Mithilfe bei Treffen und Veranstaltungen engagieren möchten. Er freut sich darüber, dass ein ehrenamtlicher Fahrer dies schon seit 15 Jahren tut.
"Intensiv, flexibel und zeitnah"
Froh ist das Team auch darüber, dass der Dienst seit 2018 in einem eigenen Haus in der Pfahl-straße 17 untergebracht ist. Mronga zeigt sich nach 25 Jahren grundsätzlich erfreut, "dass wir intensiv, flexibel und zeitnah für psychisch kranke Menschen da sein können".